Wir leben wieder auf der Straße! Und ja, in dem Fall ist das etwas Gutes 😄 Seit nunmehr zwei Wochen sind wir wieder unterwegs und inzwischen auf Korsika. Wenn ihr mich sehen könntet, wie ich diese Zeilen schreibe, würdet ihr vermutlich denken, dass das hier ein Shooting zum Thema „So cool ist Vanlife“ oder „Wie werde ich Digitalnomade“ ist, aber manchmal ist es tatsächlich so: Vor mir eine der schönsten Buchten, an denen wir bisher standen, neben mir Obelix, am Ufer ein angelnder Nico, Beine hoch, Laptop auf dem Schoß, Käffchen griffbereit – läuft. Gut, ich hole mir wahrscheinlich gerade den Sonnenbrand meines Lebens, aber was ist schon perfekt. Ist ja auch kein Photograph da.
Natürlich sieht unser Leben unterwegs nicht durchweg so aus. Aber es sind tatsächlich auch gar nicht die türkisblauen Buchten, die wir primär vermisst haben, sondern dieses Gefühl der Freiheit, die nahezu tägliche Fahrt ins Unbekannte, das Gefühl wiedermal einen einmaligen Platz entdeckt zu haben, die unerwartete Atmosphäre unscheinbarerer Orte, die vielen (kurzen oder langen) Gespräche mit anderen Reisenden und natürlich nicht zuletzt einfach zu fahren und mit Obelix die Straßen dieser Welt zu erkunden. Dieses Leben macht trotz oder gerade wegen seiner Einfachheit und des dafür erforderlichen Verzichts süchtig und wir können uns zumindest momentan schwer vorstellen, irgendwann wieder sesshaft sein zu wollen. Bevor ich jetzt aber wieder ins schwadronieren verfalle, schließe ich diese Thematik mit einem Zitat aus einem der großartigsten Songs, die ich kenne und der in mir immer diese Sehnsucht weckt, sofort den Motor anzulassen und loszufahren:
Roll down the window and let the wind blow back your hair. Well, the night's busted open, these two lanes will take us anywhere. We got one last chance to make it real, to trade in these wings on some wheels. Climb in back, heaven's waiting down on the tracks. -- Thunder Road - Bruce Springsteen --
Und während dieser heißgeliebte Ohrwurm in meinem Kopf weiter endlose Kreise zieht, erzähle ich euch mal fix wie es seit unserer Rückkehr im Februar weiterging. Wir bezogen unseren Platz auf der Straße vor dem Haus meiner Eltern, die uns ohne Wenn und Aber sofort wieder aufgenommen haben, wohlwissend dass wir ihren Alltag etwas durcheinanderwirbeln werden und dass es auf vorerst unbestimmte Zeit wieder lauter werden wird. So hatten wir wieder ein Zuhause (auch wenn wir weiterhin in Obelix gewohnt haben) und auch unsere Jobs konnten problemlos von jetzt auf gleich reaktiviert werden. Eigentlich also alles gut, deswegen waren wir ja da. Nichtsdestotrotz konnte man Nico die ersten Wochen in die Ecke stellen: „Ich will wieder los“, „Ich will angeln“, „Ich wollte diesen Alltag doch nicht mehr“ – in der Zeit hieß er nur noch „Mimimi“ (ganz liebevoll gemeint natürlich 😅). Irgendwann gab sich das und die Erkenntnis war gesackt, dass dieser Break auch viele Vorteile mit sich bringt und die Welt da draußen ja immer noch wartet. So wurde es trotz allen Fernwehs eine wunderschöne, sehr lustige Zeit und auch eine Zeit, in der wir ohne festen Wohnsitz ein starkes Gefühl von zuhause haben konnten – und das in einer ziemlich coolen WG 😊🍻 Wir sind jedenfalls verdammt dankbar für all die vielen schönen Abende mit Familie und Freunden, von denen beim Abschied letztes Jahr nicht absehbar war, dass wir sie so schnell wieder haben werden. Andererseits haben wir auch gemerkt, dass uns die Monate unterwegs verändert haben – Monate, in denen wir allein da draußen und uns selbst genug waren. So zurückgeworfen in die „normale Welt“, hatte ich doch manchmal das Gefühl, dass uns ein Teil der Socialising-Fähigkeiten verloren gegangen ist. Es ging uns beiden nicht selten so, dass wir uns zu sozialen Aktivitäten wirklich aufraffen mussten und auch die Regeneration nach diesen Abenden dauerte länger (und damit meine ich nicht den Alkoholabbau 😉).
Entgegen der ursprünglichen Planung (aber wir wollten ja nicht mehr planen 😎) blieben wir dann über ein halbes Jahr in der Heimat – die Zeit verging wie im Flug. Als aber langsam der Herbst einsetzte (also quasi ab Juli 😏), wurde der Abfahrtstermin gefixt und wie immer auf den letzten Peng der ToDo-Listen-Berg noch schnell abgearbeitet. Arzt- und Behördentermine, TÜV und Gasprüfung für Obelix nebst diverser kleinerer Optimierungen (und neuer Aufkleber 😃), Abschiedsmarathon, nochmal den kompletten Kleiderschrank durchwaschen, Einkaufsliste abarbeiten, Grundputz und los.
Als erste Ziele haben wir uns schnell auf Korsika und Sardinien geeinigt – Neuland für uns beide und landschaftlich sowie wettertechnisch vielversprechend. Für die Zeit danach gibt es natürlich erste Ideen, aber fest geplant wird nichts mehr – weder das Überwinterungsland noch die Route für nächstes Jahr. Einzig die Entscheidung uns aufgrund der weiterhin unsicheren Zeiten und unabsehbaren Grenzproblematiken vorerst im Wesentlichen auf Europa zu beschränken steht ziemlich fest.
Zuerst ging es nun nach Frankfurt, wo wir bei lieben Freunden nochmal vorzüglich begrillt wurden und netterweise spontan auch noch etwas Ballast abwerfen konnten, da wir festgestellt haben, dass wir …äähm… etwas überladen sind. So musste kurzweg ein Haufen schwerer Autoreparaturkram dranglauben. Der Illusion, dass wir unterwegs selbst an Obelix schrauben, geb ich mich eh nicht mehr hin – dafür sind wir erstens von den gelben Engeln zu verwöhnt und zweitens schlichtweg zu ahnungslos. Und da in absehbarer Zeit auch keine kasachische Steppe auf uns wartet, wird das schon passen. Hoffentlich.
Und dann war es endlich soweit: wir ließen Deutschland hinter uns und tingelten auf kleinen, teils auch recht abenteuerlichen französischen Straßen gen Süden – durch kleine Dörfchen und wunderschöne Landschaften, nie wissend welche Steigungen und Schlaglöcher nach der nächsten Kurve auf uns warten. Tatsächlich sind wir in Frankreich keinen Kilometer Autobahn gefahren und haben auch nur selten die besser ausgebauten französischen Nationalstraßen benutzt. So wars einfach schöner, auch wenn ich wieder feststellen musste, dass ich an meinen Beifahrer-Fähigkeiten arbeiten muss 😆 („Es ist rot“, „Da vorn ist ein Radfahrer“, „Vorsicht hier is echt eng“, „Siehst du das Schlagloch?“, „Gib mehr Gas, sonst kommen wir da vorn net hoch“, …). Aber der Mann kann mich Gott sei Dank recht gut aushalten und hat uns (natürlich nur dank meiner hilfreichen Tipps!) heil bis an die Küste gebracht. Frankreich hat übrigens mehr Kreisverkehre als Baguettes – hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mir den Spaß gemacht sie zu zählen – ich schätze 400-500 haben wir auf unserer Strecke gen Süden bestimmt durchfahren.
Ähnlich überraschend die Anzahl der Wohnmobile. Scheinbar ist das der bevorzugte Altersruhesitz der Franzosen. Ü70 scheint hier das Camper-Alter zu sein und so wie der ein oder andere Fahrer morgens über den Parkplatz gehumpelt ist, gibt man ihnen bei den Straßen lieber eine Stunde Vorsprung 😉. Und da ich ja genug Zeit hatte (wenn ich Nico nicht gerade beim Fahren helfen musste 😅), konnte ich noch weitere Hypothesen aufstellen und verifizieren: Franzosen fahren ausschließlich Weißware. Alles was einen Anhänger hat kommt aus den Niederlanden. Alle Vans und Kastenwagen werden von deutschen Pärchen gefahren. Die übrigens immer jünger werden – oder ist das eine halbsenile Wahrnehmungsverzerrung unsererseits? Es ist wirklich verrückt, was da teilweise aus den Kleinbussen klettert – da möchte man sich doch manchmal gern den Führerschein zeigen lassen.
Die Tour durch Frankreich hat uns übrigens ganze 12 Euro an Stellplatzgebühren gekostet. In Frankreich gibt es nämlich ein ziemlich gutes Netz an kostenfreien oder sehr günstigen offiziellen Stellplätzen, meist von den Gemeinden bereitgestellt und häufig ohne Services irgendeiner Art. Dafür steht man dann am Dorfplatz, am Hafen oder neben dem örtlichen Fußballfeld und kann noch dem abendlichen Training zuschauen. Sofern vorhanden, war für Wasser, Strom oder Duschen eine Gebühr fällig, welche dann in die Gemeindekasse fließt. Super Sache, die Idee dürften andere Länder gern übernehmen 😊
Als wir schließlich die Mittelmeerküste erreicht hatten, mussten wir feststellen, dass wir quasi versehentlich an der Côte d’Azur gelandet waren 😂 Hätten wir das vorher gewusst, hätte uns der Touristenrummel dort nicht so überrollt. Wir sind halt net so frankreichaffin und für diese Tour war für uns eigentlich nur wichtig: wie kommen wir zu unserem Fährhafen Toulon? Jetzt hatten wir noch drei Tage Zeit bis zur Abfahrt und wollten die eigentlich schön am Meer verbringen, wir waren ja schon zu lange auf Entzug. Und dann standen wir nun an einer völlig zugebauten Küste mit grässlich großen Appartement-, Hotel- und Campingplatz-Komplexen und einem Höllenverkehr. Glücklicherweise fanden wir dann doch noch eine kleine Uferstraße, machten uns wegen des WoMo-Verbotsschildes möglichst unsichtbar und genossen unser erstes Bier mit Sonnenplumps am Meer seit Ewigkeiten.
So sieht es übrigens aus, wenn man als übernachtender Camper nicht auffallen will, aber trotzdem wissen möchte was draußen so los ist 😄 Und ja, ich habe mir die Genehmigung eingeholt, das Foto zu veröffentlichen 😉

Am nächsten Tag fand sich dann sogar noch ein offizielles Plätzchen mit Meerblick – am Rand des Städtchens La Ciotat. Das hieß für uns: Urlaub.
Nach der ganzen Fahrerei durchs Inland war es herrlich, einfach aufs Meer zu gucken, spazieren zu gehen, La Ciotat zu erkunden, über den Markt zu bummeln und mit Wellenrauschen einzuschlafen. Apropos schlafen: Derselbe Mann, den ich an freien Tagen daheim gegen Mittag quasi mit Leckerlies aus dem Bett locken musste, springt jetzt unterwegs halb acht aus dem Bett und kocht Kaffee. Verrückt!
Im Anschluss ging es endlich weiter nach Korsika. Abends verabschiedete uns Toulon mit einem herrlichen Hafenpanorama und morgens waren wir pünktlich zum Sonnenaufgang in Bastia. Im Gegensatz zu unserer letzten Fährfahrt lief diesmal tatsächlich alles glatt.
Die ersten drei Tage verbrachten wir auf einem kleinen Campingplatz an der Ostküste – der Nebensaison sei Dank konnten wir direkt vorn am Meer parken und ihr kennt uns: da bleiben wir dann erstmal hängen 😎
Als wir letztes Jahr gestartet sind, hätten wir uns nicht vorstellen können, wie viele Tage wir dann doch auf Campingplätzen verbringen werden – für uns war das wie für viele ein Widerspruch zur gewollten Freiheit und Wildstehromantik, die einem ja auch medienwirksam auf diversesten Plattformen vermittelt wird. Außerdem hatten Campingplätze in unserer Vorstellung tausende parzellierte Plätze, Kinderanimation und einen Minimarkt. Und zwischen akkurat getrimmten Hecken zu stehen und auf Weißware zu gucken war selbstredend nicht der Plan 😊 Während des letzten Jahres haben wir diese Vorurteile abgelegt – es gibt so viele schöne kleine Plätze, auf denen man offiziell nächtigen kann und trotzdem von wunderschöner Natur und oft nur wenigen Campern umgeben ist. Nach mehreren Wildstehtagen tut es auch immer gut, Obelix in Sicherheit zu wissen und unbesorgt lange Spaziergänge machen oder schlicht gemeinsam schwimmen gehen zu können. Wären wir in einem gemieteten Urlaubsmobil unterwegs, wären wir da sicher entspannter, aber Obelix ist nun einmal alles was wir noch besitzen. Man stelle sich vor wie kommen vom Schnorcheln zurück und das Auto ist weg – dann besäßen wir noch einen Bikini und eine Badehose 🤓 Insofern: wir stehen nach wie vor gern allein an unberührten Orten, genießen aber zwischendurch auch die Sicherheit und Gesellschaft, die offizielle Plätze bieten. Auf Campingplätzen hört man von anderen Langzeitreisenden auch oft: „CPs machen wir ja sonst nicht“. Viele scheinen zu glauben, sie müssten sich dafür entschuldigen, passt halt nicht in die weit verbreitete Vanlife-Romantik.
Auf Korsika kommt übrigens noch eine andere Problematik dazu: Seit vielen Jahren fallen im Sommer Wohnmobile wie Heuschrecken über Korsika her und die ehemals camperfreundliche und auch freistehtolerante Insel wehrt sich: offiziell über Wohnmobilverbotsschilder an quasi jedem Küstenparkplatz sowie Höhenbeschränkungen auf den relevanten Zufahrtsstraßen und inoffiziell über nächtliches Bewerfen der wild geparkten Camper. Mit Glück sind es Eier oder Obst, im Worst Case fliegen Steine. Von den korsischen Steinewerfern mal abgesehen sind die Reaktionen aber durchaus verständlich und da wir uns erstens mit Obelix schwer irgendwo verstecken können und uns zweitens auch unwohl damit fühlen, eine so offensichtliche Abneigung nicht zu respektieren halten wir uns hier tatsächlich überwiegend an offizielle Plätze, zumindest in den Küstenregionen. In der Nebensaison kann man auch so für sich und am Wasser sein und das Budget wird im überschaubaren Rahmen geschröpft. Das ist natürlich weit entfernt vom griechischen Freistehparadies, das wir vom letzten Herbst gewohnt sind, aber alles hat seine Zeit.
Schön wars jedenfalls auf diesem Platz. Ein Moment wird uns besonders lange in Erinnerung bleiben: Der Mond ging über dem Meer auf, warmes Wasser umspielte unsere Füße, ein kaltes Bier in der Hand und in der kleinen Strandbar hinter uns korsische Live-Musik. Wir haben gar nicht erst versucht, das in Bildern oder Videos festzuhalten – die Atmosphäre bekommt man eh nicht vermittelt und es wäre auch zu schade gewesen, sich mit Belichtungseinstellungen oder Soundqualität zu beschäftigen, statt dieses Gefühl voll und ganz aufzusaugen. Es gibt eben immer wieder Momente, die sind nur für das Album mit dem silbernen Knopf bestimmt 😊
Von diesem Platz aus starteten wir dann unsere Cap-Corse-Tour. Auch wenn die Straßen hier nichts für schwache Nerven sind (also nicht für meine 😉), das war es wert – Berge, Schluchten, Klippen, kleine malerische Orte, türkisblaue Buchten, weiße und schwarze Strände, Windmühlen, alte Türme und unglaublich schöne Ausblicke. Man kann das Cap auch locker an einem halben Tag umrunden, aber wir wollten nicht durchheizen und waren hier drei Tage unterwegs, sind immer nur kurze Strecken gefahren, haben an einem kleinen Bach und auf einem Platz umgeben von grünen Berghügeln übernachtet und die sich wandelnde Landschaft wirklich genossen.
Wir fanden ja die Ostküste des Kaps schon großartig, aber die Westküste hat das dann sogar noch getoppt. Entscheidet selbst:
Jetzt stehen wir an der eingangs erwähnten Bucht und lassen (mal wieder) die Beine baumeln 🙃 Morgen geht es aber wahrscheinlich weiter – die Westküste Korsikas wartet. Es kommt auch eher selten vor, dass wir länger als drei Tage an einem Ort bleiben – ist er perfekt sagen wir oft: hier bleiben wir, es wäre doch dumm weiterzufahren! Und spätestens an Tag drei: Sattgeguckt. Hummeln. Weiter. Mit dem Wissen, dass der nächste Ort nicht unbedingt besser wird, aber anders. Und das macht den Reiz des Reisens aus.
Weiter geht es also Richtung Süden und dann wird voraussichtlich weiter von Insel zu Insel gehüpft. Da wir dieses Jahr recht spät gestartet sind, gilt es jetzt auch mit dem Wetter Schritt zu halten – herbstlich kommt früh genug. In diesem Sinne: sonnige Grüße in die Heimat und bis bald 🌞






































































































Hallo ihr Beiden😎
Schöner Bericht über Korsika, unsere Trauminsel. Wir wünschen euch noch viele schöne Tage an der Westküste und grüsst uns Porto und Piana. Es waren schöne Tage auf dem Platz an der Ostküste, aber die Westküste gibt noch viel mehr her.
Uns hat der Altag schon fast wieder eingeholt.
Und denkt drann immer schön Baguette und Pietra dazu.
Viele Grüße aus Aerzen
Nicole und Ralph-Peter
Hey ihr zwei,
schön von euch zu lesen!
Freuen uns auch schon auf das, was hier noch auf uns wartet – und Baguette und Pietra kriegen wir hin 😉
Liebe Grüße!