Als ich Ende November wie jeden Monat unsere GPS-Daten exportieren und wegsichern wollte, fiel mir auf, dass wir Obelix tatsächlich ganze 0 km bewegt haben 😄. Wir sind im Lockdown – und das mittlerweile seit 1,5 Monaten 😕. Anfangs, wir waren gerade in Finikounda angekommen, verkündete die griechische Regierung einen Lockdown bis Ende November. Mit weit strengeren Regeln als in der Heimat: Nur Supermärkte und Apotheken dürfen öffnen, ab 21 Uhr besteht eine strikte Ausgangssperre, überall gilt Maskenpflicht, Reisen zwischen Regionen ist untersagt und ein Verlassen des Zuhauses ist nur mit triftigem Grund erlaubt und muss zudem per SMS registriert werden. Letzteres funktioniert nur mit griechischen Mobilfunknummern, so dass wir immer mit einem handgeschriebenen Zettel unterwegs waren, in der Hoffnung, dass dieser einer Polizeikontrolle standhält. Bisher sind wir kontrollfrei durchgekommen, haben aber von Heimreisenden gehört, die z.T. mehrfach angehalten wurden – dank vorhandenem Flug- bzw. Fährticket letztlich aber ohne Konsequenzen.
Dieser erste Lockdown hat uns auch erstmal keine schlaflosen Nächte bereitet – schließlich standen wir auf einem schönen Platz, Nico hatte Arbeit, wir wären eh geblieben. Dennoch wurde es dann ein emotionales Auf und Ab – zum Stillstand gezwungen zu sein, ist dann doch noch etwas anderes als jeden Tag neu entscheiden zu können, wie und wann es weitergeht. Dazu kam eine ganz neue soziale Situation: nicht nur wir bewegten uns nicht, sondern auch die anderen Reisenden blieben ja 😅 D.h. Ferienlager-Atmosphäre mit allen Vor- und Nachteilen („ihr seid jetzt die nächsten Wochen hier zusammen, also spielt gefälligst miteinander“ 😉). Eigentlich die Art von Campingplatz-Leben wegen der wir Campingplätze nicht mögen. Vor dem morgendlichen Klo-Gang schon zehnmal „Guten Morgen“ wünschen? Nichts für uns. Jeder kennt jeden, jeder redet über jeden, jeder hat seine eigenen Macken und Befindlichkeiten (jaja, wir auch 😉)… So mussten wir nun also nach Monaten der Einsamkeit plötzlich wieder nett und kommunikativ sein 😆 An schlechten Tagen waren wir echt nah dran am Lagerkoller und wären am liebsten in die Wildnis geflüchtet. Auf der anderen Seite, und da kommen wir zu den guten Tagen, haben wir in dieser Zeit Menschen kennenlernen dürfen, die wir sehr ins Herz geschlossen haben. In normalen Zeiten hätte man sich, wenn überhaupt, mal auf ein Bierchen unterhalten und am nächsten Tag wäre mindestens eine Partei wieder auf und davon gewesen. In dieser Ausnahmesituation hatten wir nun viel Zeit einander besser kennenzulernen, hinter die Fassaden zu schauen, Gemeinsamkeiten zu finden (oder eben nicht) und so bildeten sich mit der Zeit harmonierende Sub-Grüppchen und auch das große Ganze funktionierte. Unsere Erinnerungen an diese Zeit sind dadurch nun doch überwiegend positiv, auch weil sie von Grill- und Lagerfeuerbildern dominiert sind 😊
Auch eine unterhaltsame Erinnerung: die Beobachtung des ein oder anderen Vanlife-Influenzers in freier Wildbahn 😊. Wie jemand sehr treffend anmerkte, gibt es scheinbar ein Instagram-Vanlife-Influenzer-Starterpaket, bestehend aus einem weißen, fertig ausgebauten Van, ein paar Kissen, Decken und Makramees, ganz vielen Kerzen für die Abend-Shootings, dazu eine GoPro mit Stativ, eine Drohne und ein hübscher Kampfhund – fertig 😂 Wir hatten also die Chance „behind the scenes“ zu schauen und können euch nun einige Tipps aus direkter Beobachtung mit auf den Weg geben:
- Auf dem Campingplatz stehen ist uncool, also im Lockdown einfach Bilder aus der Freisteh-Retorte nehmen und mit aktuellem Text versehen.
- Alternativ den Camper in die erste Reihe fahren um ein paar Shoots mit Freiheitsgefühl zu machen und anschließend schnell wieder zurück in die Parzelle ganz hinten. Nur da gibt’s ja WLAN. Und davon braucht der Influenzer viel.
- Bei menschlicher Beteiligung auf dem Bild sollte der weibliche Part idealerweise zumindest halbnackt sein, unabhängig von herrschenden Außentemperaturen.
- Nachdem der Kaffee für das Strandshooting gekocht wurde, gleich einen zweiten aufsetzen. Der Erste ist definitiv kalt, bis alles auf der Stranddecke für die Dokumentation des spontanen Frühstücks perfekt arrangiert ist.
- Die Lichterketten und 50 Kerzen werden nur für das Abendshooting verteilt und angemacht, die anderen Abende kann man ruhig in totaler Dunkelheit oder im Auto verbringen.
- Kamera auf Stativ und Daueraufnahme eingestellt: So kannst du ganz entspannt (also so entspannt das halt geht im Dauerfokus) den Abend verbringen und am nächsten Tag das Natürlichste aus tausend Bildern auswählen.
- Unter jeden Post gehören Sätze á la „Erzählt mal: wie ist das bei euch?“, weil Du ja ein an jedem Individuum interessierter Vanfluenzer bist. Auf dem Campingplatz aber unbedingt immer nach unten oder zur Seite gucken, wenn Dir jemand entgegenkommt – sonst könntest Du im echten Leben in Kontakt mit anderen Menschen kommen.
Natürlich kann man dieses Verhalten nicht jedem Vanfluenzer andichten, auch wir durften angenehme Ausnahmen kennenlernen. Das nur fürs Protokoll 😊 Und ja, auch wir haben Lichterketten und Makramees, aber die bammeln für uns da rum und unabhängig von der Anwesenheit einer Kamera 😉
Wie Ihr merkt habe ich dieses Mal keine Reise-Stories zu erzählen und muss mir anderweitig aushelfen. In diesem Sinne: Katzen gehen immer, oder? 😄 Davon gab es einige auf unserem Lockdown-Platz – und was für süße Exemplare 😍. Mein Liebling, der einäugige Rocky, wurde zusammen mit der kleinen Malou von einer lieben deutschen Familie adoptiert und ist mittlerweile in seiner neuen Heimat angekommen. Die restlichen Mäuse müssen den Winter mehr oder weniger auf sich gestellt verbringen – bis im nächsten Frühling neue Camper einreiten und die Katzenfutter-Vorräte im örtlichen Supermarkt leerkaufen 😊 Nicht nur uns fiel es schwer sie zurückzulassen, aber wir fahren eben net heim und dort wo wir langfristig hinwollen, werden sie eventuell gegessen 😎
Nach vier Wochen war für Nico dann die Olivenernte beendet und es sollte Anfang Dezember mit dem Ende des Lockdowns endlich weitergehen. Nachdem die harte griechische Linie im Frühling schon einmal gut funktioniert hatte, waren wir da auch recht optimistisch. Leider entwickelten sich die Zahlen nicht wie erhofft und einer ersten einwöchigen Verlängerung folgte schließlich die Hiobsbotschaft, dass alle Restriktionen nun bis mindestens 07. Januar gelten. Kawumm 😒. Aber die Intensivkapazitäten des griechischen Gesundheitssystems sind eben gering und bei aller subjektiven Enttäuschung unterstützen wir die Maßnahmen durchaus. Hilft ja nix. Wat mutt dat mutt. Damit standen wir manchmal aber auch alleine – so haben wir über die Zeit leider auch einige Querdenker-Diskussionen führen müssen. Auch die Einstellung anderer Reisender hier in Griechenland änderte sich zunehmend, irgendwann wurden die Hummeln vermutlich zu groß – während wir die ersten Lockdown-Wochen in nahezu unveränderter Konstellation auf dem Platz verbrachten, war plötzlich ein Kommen und Gehen als wär nix gewesen… Frei nach dem Motto: Ich hab keine Lust mehr auf Lockdown, also existiert er auch nicht mehr 😎. Da spielen einem natürlich auch die geringen Polizeikapazitäten in die Karten, insbesondere in den ländlichen Regionen. Hier und da wurde wohl mal ein Wildplatz geräumt, aber im Großen und Ganzen ist das Reisen scheinbar relativ problemlos möglich. Ob man das nutzt, muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden.
Nachdem unser Lockdown-Quartier Mitte Dezember endgültig für die Winterzeit geschlossen wurde, standen nun auch wir vor der Frage, wie locker wir die Regelungen auslegen wollen. Für uns stand dann schnell fest: mit dem gewohnten tageweisen Hopping von Platz zu Platz, ggf. noch mit Ausflügen und Besichtigungen, würden wir uns derzeit nicht wohlfühlen. Einerseits, weil es ja durchaus einen Grund für die Restriktionen gibt, andererseits aber auch, weil entspanntes Reisen anders ausschaut: möchte man sich bei jedem herannahenden Auto fragen, ob das die Polizei oder ein verärgerter Anwohner ist? Nö. Also einen offiziellen Stellplatz finden und dort den Lockdown aussitzen.
Gemeinsam mit Stephi und Felix, mit denen wir schon auf dem ersten Lockdown-Platz eine sehr coole Zeit hatten, und einem selbstgeschriebenen Transfer-Zettelchen machten wir uns auf den Weg. Ziel war eine kleine private Farm weiter nördlich, die Stellplätze für Camper anbietet – neu auf park4night, d.h. wir hofften trotz fehlender Bewertungen das Beste. Irgendwer muss ja der Erste sein 😊 Leider stellte sich heraus, dass die Besitzerin der Farm gar nicht wusste, dass ein Freund den Platz bereits online gestellt hat – samt Beschreibung ihrer Zukunftsvision 😄 Netterweise versuchte sie sehr engagiert eine Lösung für uns Gestrandete zu finden – und die hieß: Parken im Tiergehege 😅 So wurde die Futterstelle weggeharkt, um Platz für unsere zwei Autos zu schaffen. Das sahen die Esel noch recht entspannt, nicht so der Ziegenbock. Seine Taktik ging jedenfalls auf: die komischen Zweibeiner verschwanden wieder. Neben seinen z.T. echt nicht mehr witzigen Attacken war es auch der Bodenbelag aus Eselskacke, der keine Gemütlichkeit aufkommen lassen wollte 😉 Also verabschiedeten wir uns von der romantischen Farm-Idee. Mittlerweile waren wir nur noch 60 Kilometer vom Aginara Beach entfernt, dem Platz, auf dem wir im Oktober schon zwei sehr schöne Wochen verbracht haben. Einer der wenigen ganzjährig geöffneten Campingplätze auf dem Peloponnes. Also 5 Sekunden überlegt und los. Und eine gute Stunde später saßen vier glückliche Menschen mit einem kalten Bier in der Hand am Palmenstrand 😊
Da sind wir nun also wieder und sehr zufrieden. Auf den ganzen Platz verteilen sich derzeit nur gut zehn Autos, durchweg entspannte Menschen mit tollen selbstausgebauten Campern – vom VW-Oldtimer bis zum dreiachsigen Expeditionsmobil ist alles dabei. Dazu sonnige 17 Grad und ein unschlagbarer Off-Season-Preis. D.h. Seele baumeln lassen und Pläne machen für nächstes Jahr, wenn – hoffentlich – normales Reisen wieder möglich ist.
Auch wenn wir hier von weihnachtlichen Gefühlen meilenweit entfernt sind, möchten wir Euch allen, ob daheim oder on the road, noch entspannte und schöne Weihnachtstage wünschen 🎄! Kommt gut ins nächste Jahr und passt auf euch auf! Bald ist dieses seltsame 2020 geschafft 🍀.




































































Schöner hätte man die letzten Wochen nicht zu Papier (ähh blog) bringen können 🙂
Danke für die schöne Zeit mit euch!
Dito! 🙂
Wieder so ein schöner Bericht – sogar „aus dem Stand“😂 – und tolle Fotos!!! Die Katzen haben echt ein schweres Leben (wenn keine Touristen da sind) 😟. Und eure Basteleien entwickeln sich immer mehr zu Kunstwerken – der Muschelvorhang ist klasse – und auch das Lichter-Tischchen – super👍. Da dürften eure Makramee-Vorräte dem Ende zugehen?!? Ganz liebe Grüße 😍
Dankeschön und ganz liebe Grüße zurück!
hahahaha… sehr nett geschrieben… und der Abschnitt mit dem „Vanlife-Influencer-Package“ ist der Hammer 😀
War sehr nett euch kennenzulernen und da wir ja eine ähnliche Route haben, treffen wir uns auch sicherlich bald wieder 🙂
Haut rein, stay safe and healthy
Totti von den TRAVELcandies-On-Tour 🙂
Hehe, danke 😁
Würden uns auch freuen wenn man sich mal wieder trifft – werden euch verfolgen 😎