In unseren ersten beiden Wochen auf Korsika haben wir wiederholt Reisende getroffen, die diese schöne, wilde Insel schon mehrfach bereist haben und so füllte sich unser Notizbuch mit vielfältigen Tipps und die Fotogalerie mit abfotografierten Routenkarten. Am Ende stand dann die totale Überforderung 😄 Wir wollten von Norden aus die Erkundung der Westküste starten und standen nun vor einem Berg von (sich teilweise gegenseitig ausschließenden) Empfehlungen und einer Menge an POIs, deren komplette Abarbeitung tatsächlich in Arbeit ausgeartet wäre.
Dass Reisen immer auch von dem Gefühl etwas zu verpassen begleitet wird, ist uns ja nicht unbekannt, aber das hier war eine neue Stufe 🙄 Wo ins Inland fahren? Welches Städtchen anschauen? Wo wandern gehen? Welche Route nehmen? Welchen der empfohlenen Stellplätze ansteuern? Auch wenn wir uns dann entschieden haben, uns weitestgehend in gewohnter Manier treiben zu lassen und nichts durchzuplanen, sollte unsere restliche Zeit auf Korsika doch von ständigen Notizbuch-Blättereien begleitet sein 😉
Und dann haben wir die erste Empfehlung auch noch direkt versemmelt 😆 Es sollte ins Fango-Tal gehen zum Flussbaden, Wandern und Kanufahren. Am Fango-Delta angekommen fuhren wir entlang des Flusstals landeinwärts und über mehrere Kilometer hinweg sahen wir dann tatsächlich: Nichts. Kein Fluss, kein Wasser. Ein staubiges, steiniges Tal, von trostlosen Schotterpisten eingerahmt, hier und da ein verbarrikadierter Campingplatz, Einöde – wo soll man hier bitte Kanu fahren? Also kurz gegoogelt: Ah ja, ausgetrocknet um die Jahreszeit. Schade. Also Abbruch, zurück an die Küste und weiter gen Süden. Hundert abenteuerliche Bergstraßenkilometer weiter sollten wir dann Leute treffen, die uns mit beseelten Gesichtern von ihren letzten Tagen im Fango-Tal erzählten – die sind von Gumpen ins Wasser gesprungen verdammt! 😀 Letztlich waren wir einfach nicht weit genug ins Landesinnere gefahren und über meine Recherche zum Thema Austrocknung reden wa ma nich 😳. Aber jetzt diese Straßen nochmal zurück? Nee. Also das Fango-Tal schweren Herzens auf die „Später-Liste“ gesetzt – ich bin mir sicher, dass diese Insel uns irgendwann nochmal wieder sehen wird.




Jedenfalls waren entlang der Westküste wieder einige Bergstraßen zu bewältigen. Im Vorfeld waren diese tatsächlich auch meine größte Sorge – letztlich ist Korsika quasi ein einziges Gebirge und unser Obelix nur mit 72 Pferdestärken gesegnet. Aber wenn wir inzwischen eins gelernt haben, dann dass es nur Ruhe und Gelassenheit braucht – Obelix bringt uns überall hin. Aber Platz 1 für die beste Entscheidung im Aus- und Umbau-Prozess geht definitiv an die Nachrüstung der Servolenkung! Denn die nach osteuropäischem Vorbild teils komplett ungesicherten Serpentinen-Kurven sollte man besser kriegen! 😉




















So erreichten wir problemlos und auf abwechslungsreichen Routen das schöne Städtchen Porto, welches im gleichnamigen Golf in der landschaftlich wohl beeindruckendsten Gegend Korsikas liegt. Auch hier konnten wir leider nicht die volle Punktzahl auf der „Hab-alles-gesehen-Skala“ erreichen, da die eigentlich geplante Bootstour entlang der Buchten der Calanche und in das Naturschutzgebiet La Scandola mit 60 Euro (pro Person!) einen beachtlichen Krater in unser Monatsbudget gerissen hätte. Mit solchen Ausgaben tun wir uns halt sehr schwer – sicherlich sollte man sich nicht alles verwehren, aber wenn wir Geld ausgeben als wäre es der einzige Jahresurlaub müssen wir denselbigen bald wieder beantragen 😄 Also die Low-Budget-Variante der Golf-Erkundung gewählt: Küstenwanderung, war auch nett 😎.
















Die Nacht verbrachten wir gemeinsam mit drei anderen Campern auf dem einzigen Parkplatz in Porto ohne WoMo-Verbotsschilder. Es wäre auch möglich, dass das dort neu aufgestellte, handgemalte Übernachtungsverbotsschild beim Vorbeilaufen versehentlich, äähm, umgekippt ist – ist halt eng da 😇 Nico wäre ja am liebsten auf den Parkplatz direkt am Strand gefahren („Guck mal, da stehen doch Vans!“), aber da dieser mit Sperren und Verbotsschildern regelrecht zugepflastert war, durfte ich mal wieder die Spielverderberin geben. Gott sei Dank. Es flogen zwar keine Steine, aber während wir auf dem hinteren Spot „nur“ mit nächtlichem Dauerhupen zu kämpfen hatten, übte die Dorfjugend am Strandplatz Driften zwischen den dort eng geparkten Vans. Hier und auch auf unserer restlichen Strecke durch Korsika zeigte sich immer wieder die Null-Toleranz-Politik in Bezug auf parkende Camper. Selbst im Inland irgendwo im Nirgendwo waren Parkplätze mit z.T. selbstgezimmerten Höhenbeschränkungen versehen und noch vor ein paar Monaten laut Park4Night frei zugängliche Spots sind inzwischen gesperrt – es muss ein wirklich harter „Es ist Corona, lass uns ein WoMo mieten!“-Sommer gewesen sein… Schade nur, dass es so immer mehr Plätze und Orte werden, die man als Camper nicht einmal tagsüber für ein Stündchen besichtigen kann, da es einfach keine Parkmöglichkeiten mehr gibt.

Von Porto aus ging es Richtung Piana – durch eine Felsenlandschaft, auf die ich mich am meisten gefreut habe: die Calanche, UNESCO-Weltkulturerbe und eine sooo schöne Fahrtstrecke – schmale, kurvige Straßen gesäumt von bizarren, orangeroten Felsen vor türkisblauem Meer 😍.








Korsika ist, von der Übernachtungsproblematik mal abgesehen, wirklich die perfekte Insel für einen Roadtrip: Ständig denkt man „Wow, was war das für eine großartige Strecke heute!“ und dann kommt ein neuer Tag und eine neue Strecke – landschaftlich immer anders als die vorher gefahrene und dabei nicht weniger beeindruckend. Oder anders formuliert: man hat häufig das Gefühl, auf einer anderen Insel zu sein als am Tag davor – das hat uns an Korsika am meisten fasziniert. Langweilig geht hier net. So kann man morgens noch durch schroffe Gebirgslandschaften gefahren sein, vorbei an Klippen mit tosender Brandung und nachmittags in einer kleinen, fast karibisch anmutenden Strandbucht auf das spiegelglatte Meer schauen.




Korsika ist aber auch ein Dorf. Mit einer Einwohnerzahl, die nicht mal ein Zehntel Berlins erreicht und einer Ausdehnung von 180×80 Kilometern – da ist man relativ schnell rum! Auch die korsische Camper-Welt ist sehr klein, das Wiedertreffen bekannter Gesichter oder Autos war fast an der Tagesordnung. Peinlicherweise war das Wiedererkennen dabei oft einseitig, aber WoMos sehen halt für Uneingeweihte wie uns immer gleich aus und ich kann auch einen dunkelblauen Pössl nicht von einem anderen dunkelblauen Pössl unterscheiden, wohingegen andere Camper immer berichten konnten, wo sie Obelix schon gesehen haben 😃 Ein Pärchen trafen wir insgesamt vier(!) Mal, also ja, Korsika ist ein Dorf.
Apropos Dorf – ein Ort stand noch auf unserer Empfehlungsliste (danke Ralph & Nicole!) und das völlig zu Recht: Sartène. Laut dem französischen Schriftsteller Mérimée die „korsischste aller Städte“ 😊 Die Altstadt mit ihren engen Gassen, schmalen Häusern, winzig kleinen Restaurants und Geschäften ist wirklich richtig schön. In Sartène lohnt sich auch mal einen Blick in die schmalen Hauseingänge: extrem lange, enge und steile Treppen führen ins endlose Dunkel und müssen von den Hauseigentümern erklommen werden. Sicher ungemütlich mit einem Wocheneinkauf und ganz sicher nichts nach einem Bier zu viel.












Von Sartène aus ging es quer durchs Land wieder an die Ostküste, wo wir uns noch ein paar schöne Buchten anschauen wollten. Der Strand von Palombaggia ist hier wirklich eine Empfehlung – auch weil man auf dem Parkplatz dahinter super übernachten kann. Das war zwar unser erster und einziger Regentag auf Korsika, aber trotzdem oder gerade deswegen hatte die Bucht einen ganz besonderen Charme.








Da wir der korsischen Flusswelt ja noch etwas schuldig waren und Abwechslung zum Strandleben fällig war, stand dann die Solenzara auf dem Programm – ein Wildwasserfluss mit weißem Geröll und natürlichen Pools samt Badegumpen. Im Herzen der Wanderregion liegt der Campingplatz U Pontu Grossu, idyllisch direkt am Fluss und ganz natürlich angelegt – wie Wildcamping, aber mit dem Luxus einer heißen Dusche 😊 Hier war es gut, dass wir erst nach der Regenfront ankamen: so ein junges Ding Anfang 20 war gerade dabei sein völlig zerstörtes und teilweise unter einer extrem dicken Schlammschicht begrabenes Zelt freizubuddeln – Augen auf bei der Platzwahl (so ein Platz in einer Kuhle ist bei Starkregen vielleicht nicht die beste Idee) 🧐


So richtig Badewetter war dann nicht mehr (zumindest nicht für Frostbeulen wie uns), aber zum Wandern war es perfekt. Leider haben hier dann meine geliebten Wanderschuhe das Zeitliche gesegnet und wurden nach mehreren erfolglosen Panzertape-Kuren schweren Herzens zurückgelassen – nach über 15 Jahren war das echt net einfach! Aber das Schlimmste: jetzt müssen wir uns in irgendeiner Großstadt in ein Shopping-Center quälen, urgs. Das schieben wir seitdem vor uns her. Solange keine Bergbesteigung ansteht (was bei uns auch eher unwahrscheinlich ist 😉), müssen die Chucks erstmal reichen.








Ganz zum Schluss unserer Korsika-Zeit stand dann noch Bonifacio auf dem Programm – eine beeindruckende Stadt an der Südspitze Korsikas, deren Oberstadt sich auf einem riesigen Kalk- und Sandsteinplateau erstreckt. Dieses ist an der Meerseite so ausgewaschen, dass die Häuser teilweise direkt am Abgrund stehen – schon etwas gruselig, aber toll anzuschauen. Ebenso der Meeresfriedhof, auf dem man sich gut und gerne eine Stunde aufhalten kann, was wir auch gemacht haben 😊.
















Übernachtungstechnisch war Bonifacio aber der Tiefpunkt: der „Stadtcampingplatz“ liegt zwar schön zentral, ist aber nur ein Hinterhof, in dem Camper fast ohne Abstand nebeneinander geparkt werden. Das allein wäre noch erträglich gewesen, aber neben uns stand ein völlig überdrehter Holländer, der quasi rund um die Uhr damit beschäftigt war, eine sehr selbstbewusste und sehr laute italienische Camperin zu beeindrucken und vice versa. Selten so viel gebündelte Selbstdarstellerei erlebt und das in einer Lautstärke, bei der ich mich nicht mehr denken hören konnte – und das ging schon vor dem ersten Kaffee los! Alter, da ist mit mir echt nicht zu spaßen 😈.
Nach den zwei Tagen in Bonifacio hieß es dann „Au revoir Corse“. Nächstes Ziel: Sardinien. Korsika und Sardinien trennt nur eine Meerenge von 12 Kilometern, die Straße von Bonifacio – Inselhopping in nur 20 Minuten! 😊




Mit dem Sprung nach Sardinien hatte dann endlich das dämliche Rumgefuchtel und Rumgestottere ein Ende – die italienische Sprache liegt uns nämlich deutlich mehr als die französische und auch unser Korsisch ist nicht so ausgereift 😎.
Abgesehen davon hatte Sardinien aber eher einen schweren Start bei uns. In erster Linie, weil die Landschaften im Vergleich zu den korsischen einfach etwas blass und langweilig sind. Sie muten im Inland teilweise fast deutsch an, stände nicht der ein oder andere Kaktus mit orange-roten Früchten am Straßenrand. Auch die Strände bleiben bisher hinter den Erwartungen zurück: sollte hier nicht alles türkisblau und kalkweiß sein? Hhmm, ist häufig eher Ostsee 😅 (auch wenn die Bilder das nicht hergeben, wie ich bei der Durchsicht feststellen musste – man hält halt drauf, wenn es blau ist, nicht grau 😉). Strände, die im Internet noch traumhaft aussehen, sind zudem teilweise mit riesigen Seegras-Mengen bedeckt. Das mag aber auch am Wetter liegen, welches ein weiterer Punkt ist, für den Sardinien nix kann: es wird halt langsam Herbst. Insbesondere unsere erste Woche war sehr windig und eher grau. Und dann ging es mit den Strandparkplätzen auch noch genauso weiter wie es auf Korsika aufgehört hat: mit Verbotsschildern und patrouillierender Polizei 😬. Laut anderer Camper, die schon länger auf Sardinien unterwegs sind, allerdings eher ein Problem des Nordens, so dass wir kurzen Prozess machten und uns direkt südwärts begaben, wo tatsächlich alles besser ist und Sardinien uns etwas versöhnt.
Auf dem Weg durchs Inland wurde noch ein wenig Historie mitgenommen: wir haben eine der besser erhaltenen sardischen Nuraghen besichtigt und durften auf dem Besucherparkplatz auch gleich nächtigen – perfekt 😊 Nuraghen sind prähistorische Steinbauten mit Türmen, die es so nur auf Sardinien gibt (mussten wir aber auch erst googeln 😎). Die Nuraghe Arrubiu ist der größte Komplex dieser Art und wird auf das 15. Jahrhundert vor Christus datiert.












Bei wieder besserem Wetter tingelten wir dann die Süd-West-Küste entlang bis zur Insel Sant‘Antioco – und tatsächlich: hier unten ist Freistehen in der Regel unproblematisch. Es gibt eine Vielzahl an Plätzen ohne Verbotsschilder und solange kein Camping-Verhalten an den Tag gelegt wird (Stühle & Tisch draußen oder gar Markise und Teppiche – alles schon gesehen), fährt auch die Polizei quasi winkend vorbei 😉 Aber da wir scheinbar immer ein Problem brauchen, da es sonst langweilig wird: Wir sind zu anspruchsvoll geworden, irgendwas gibt es immer zu meckern („Schon ein schöner Ausblick, aber wenn ich mich hinsetze, sehe ich ja das Meer nicht mehr“ 😄). Wir sind einfach nicht mehr so leicht zu begeistern wie noch letztes Jahr, als dieses ganze Leben neu für uns war. Inzwischen haben wir so viel gesehen und an so schönen Plätzen gestanden, dass die Messlatte hochliegt. Die Routine tut ihr Übriges. Man spürt eben, dass es kein Urlaub ist, sondern aktuell unser Leben – zwar mit einem anderen Alltag, aber es gibt ihn halt, den Alltag. Daran müssen wir uns noch gewöhnen. Vielleicht sollte ich anfangen, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen 😂.








Aber ab und an gibt es ihn dann doch noch, den perfekten Platz, an dem wir nicht eine Sekunde überlegen, ob wir bleiben oder weitersuchen. So am Strand von Porto Botte. Eine schmale Schotterpiste mit Parkplätzen verläuft zwischen einem feinsandigen Strand auf der einen und einer ausgedehnten Teichlandschaft mit Flamingos auf der anderen Seite. Dass es für Oktober noch relativ voll war, störte dabei tatsächlich nicht – es gab genug Platz und Ausblick für alle 😊 Und ein so frequentierter Platz, zumal wenn er tagsüber auch von Einheimischen besucht wird, zeigt einem ja auch immer, dass Probleme mit Locals oder Carabinieri eher nicht zu erwarten sind. Und ein ausgedehnter Spaziergang ist auch entspannter möglich, wenn wir Obelix nicht allein im Nirgendwo zurücklassen. Jedenfalls wars wunderschön – man konnte wahlweise Flamingos oder Kite-Surfer in freier Wildbahn beobachten und mit einem Bierchen am Strand den Sonnenuntergang genießen – mit Obelix im Rücken. So muss das.








An der Strada Panoramica, der Küstenstraße SP71 zwischen Chia und Porto di Teulada, zeigte Sardinien dann nochmal, dass es noch eine Schippe drauflegen kann. Da waren sie nochmal, die türkisfarbenden Buchten und die sichelförmigen weißen Strände. Immer noch zu wenige für meinen Geschmack, aber da bin ich auch schon beim Meckern auf ganz hohem Niveau 😎






Jedenfalls steht der endgültige Sieger im Korsika-Sardinien-Battle noch aus – Sardinien hat noch zwei Wochen Zeit Punkte zu sammeln, dann geht das Inselhopping weiter und wir werfen mit Sizilien die nächste Insel in den Pot! 🌞
In diesem Sinne: Arrivederci, ci vediamo, a presto!