Willkommen in der Türkei, unserem neuen Lieblingsland 🧡! Es ist das erste Mal, dass wir uns in einem neuen Land direkt von Beginn an so wohl gefühlt haben. Knapp drei Wochen sind wir bereits hier und jetzt schon traurig, dass wir nur drei Monate bleiben dürfen… Vermutlich gibt es kaum ein Land, das besser für einen Roadtrip geeignet ist. Erstens: es ist riesig, enorm abwechslungsreich und einfach wunderschön. Zweiter und vermutlich wichtigster Punkt: man kann überall campen – überall! Einfach so! Drittens: die Menschen. Wir haben uns noch in keinem Land bisher so ehrlich willkommen gefühlt. Und last but not least: das Essen 😊. Jeder Tag ist anders, bunt und erlebnisreich – man kommt kaum hinterher, all die Eindrücke zu verarbeiten. Das ist Reisen, wie wir es lange vermisst haben.
Aber der Reihe nach. Unsere Einreise in die Türkei hatte sich zunächst ein paar Tage verzögert, da wir mit einem uns völlig unbekannten Problem konfrontiert waren: zuviel Bier. Ja, sowas gibt es tatsächlich 😄. Pro Person darf nämlich nur ein Liter eingeführt werden, was – ähm – nicht ganz unseren Beständen entsprach. Also wurden wir immer langsamer und die Abende unvernünftiger 😎. Wegschmeißen ist ja nun wirklich keine Option – wer Bier vernichtet verbrennt vermutlich auch Bücher. So verbrachten wir die letzte Nacht dann noch zehn Kilometer vor der Grenze auf einem Rastplatz, um die finale Bestandsdezimierung vorzunehmen. Geschafft – es konnte losgehen. Der nette Grenzbeamte, der unser Auto inspizierte („This is not a camper – this is a home!“), fragte dann natürlich auch, ob wir Alkohol dabei hätten. Ich so: Ja, ein paar Bier im Kühlschrank. Woraufhin er in schallendes Gelächter ausbrach und sagte „Beer is no alcohol!“. Achso, das hätte uns ja mal einer vorher sagen können 😂.
Ähnlich entspannt der Rest der Formalitäten und drin waren wir. Endlich. Zwar bei miesestem Wetter, aber das tat der guten Laune keinen Abbruch. Wer reist kennt dieses Gefühl vermutlich, wenn plötzlich alles anders ist – Sprache, Baustil, Werbeschilder, Straßen, Läden – selbst die Tankstellen sehen anders aus 😀. Dieser Reiz des Neuen macht es immer wieder aus… Den europäischen Teil der türkischen Westküste kann man allerdings getrost überspringen – landwirtschaftlich und industriell geprägtes Flachland, das haben wir dann doch auch daheim. Also ging es fix gen Süden und über die Dardanellen. Erst letzten Monat wurde die 2 km lange Hängebrücke fertiggestellt, so dass man nicht mehr mit der Fähre übersetzen muss. Gott sei Dank. Und so waren wir dann tatsächlich in Asien – verrückt.
Dann hieß es erstmal orientieren und organisieren. Der erste Einkauf stand an, es musste ein Geldautomat mit möglichst geringen Gebühren gefunden werden (es gibt tatsächlich Banken, die 10% nehmen!), wir brauchten eine lokale SIM-Karte und natürlich: Bier. War ja alle. Dann ein kurzer Schreckmoment im ersten Supermarkt: Ähm, Schatz, es gibt hier keinen Alkohol 😧! Aber da einem ja hier jeder sofort helfen möchte, sobald man das Auto verlässt, war das schnell geklärt: Ausschau halten nach Kiosk-ähnlichen Gebäuden mit blauen Schildern. Im gleichen Atemzug wurde uns noch durch „määäh määäh määäh“ und mit in eine Richtung fuchtelnden Armen gezeigt, wo man gutes Lamm kaufen kann 😄. Die Menschen hier sind unglaublich – abgesehen von der Touristenhochburg Marmaris (dazu später mehr) hatten wir nicht eine negative Begegnung – im Gegenteil. An Freundlichkeit und Offenheit sind die Türken nicht zu übertreffen – wir hatten unzählige so nette Gespräche, haben schon ein Bündel an Kontaktdaten falls wir irgendwo im Land Probleme haben sollten, werden ständig hupend überholt (und nein, nicht auf die italienische „mach-mal-Platz-du-dusseliger-Camper“-Art, sondern begleitet von fröhlichem Winken und erhobenem Daumen), an der Ampel neben uns wird das Fenster heruntergekurbelt um ein schnelles Gespräch zu versuchen, völlig fremde Menschen schicken mir über Instagram Nachrichten wann und wo sie uns gesehen haben, und selbst die Polizei winkt uns bei jeder Kontrollstelle lächelnd durch und fährt auf Wildplätzen winkend vorbei. Das ist wirklich Neuland.
Unser erster Besichtigungsstopp wurde dann Troja. Rückblickend gut, dass es der Erste war, denn hätten wir da schon gewusst, wie imposant die antiken Steinhaufen in der Türkei eigentlich sind, hätten wir uns zu Tode gelangweilt 😆. Aber so waren wir noch zu begeistern und wanderten durch die kläglichen Überbleibsel der Stadt, die Heinrich Schliemann einst ausgebuddelt hat und die, wenn auch nicht unumstritten, als das altertümliche Troja identifiziert wurde. Ein Nachbau des trojanischen Pferdes gabs obendrauf, die Sonne schien, passt.
Da in der Türkei Ausgrabungsstätten an jeder Ecke warten, gings dann auch gleich historisch weiter – nächster Stop: Pergamon, eine der bedeutendsten Stätten der Antike. Parkmöglichkeiten gibt es am Fuß des Hanges und per Seilbahn geht es dann nach oben. Das ist ja nix für mich, da spult der Kopf gleich die Liste historischer Gondelabstürze ab. Aber gut, ich wollte da hoch, also hieß es Vertrauen in den türkischen TÜV haben und sich immer schön einreden, dass jedes plötzliche Gewackel oder quietschende Seil zum Plan gehört. Und nicht nach unten gucken.
Das Gelände selbst war dann echt beeindruckend – ein unerwartet großer Teil ist noch recht gut erhalten und die An- und Ausblicke sind imposant. Da kann man darüber wegsehen, dass die Berliner den Altar geklaut haben – auch wenn es schöner wäre, wenn er dort stände, wo er hingehört.
Wir hatten auf der bisherigen Tour zwar schon das ein oder andere Städtchen durchfahren, aber jetzt wurde es Zeit für Izmir und die Vorfreude auf typisch türkisches Großstadtgewühl war immens. Wie bisher in allen Städten fand sich auch hier ein zentral gelegener und bewachter Parkplatz, an dem wir für „`nen Appel und `n Ei“ (sprichwörtlich!) auch gleich übernachten konnten. Ich erinnere mich an europäische Großstädte, wo so eine Nacht auf einer städtischen Betonplatte mal mit 25-30 Euro zu Buche schlug. Aber ab und an müssen wir einfach mal Stadtluft schnuppern – Lichter, Menschen, Autos und das, was für andere vermutlich Lärm ist 😃. Dazu noch ein kaltes Bierchen und einfach die Stadtatmosphäre genießen. Am nächsten Tag ist der Stadtakku dann aber auch schon wieder geladen und die Natur ruft.
Aber zurück zu Izmir. Zentral gelegen befindet sich der „Kızlarağası Hani“, der historische Bazar und unser Ausgangspunkt für die Altstadt-Erkundung. Über die Grenzen des Bazars hinaus haben die Markstände schon die halbe Altstadt erobert – ein schier endloses Gewirr aus Farben, Stimmen und Gerüchen. Stundenlang haben wir uns durch die wuseligen Gänge treiben (oder schieben) lassen und dennoch nicht alles gesehen. Wir haben uns durch das halbe Imbissangebot der Stadt gefuttert, dem Gesang des Muezzin gelauscht, unseren Rucksack mit benötigten oder einfach nur schönen Dingen gefüllt, versucht uns unbekannte Gewürze und Süßigkeiten zu identifizieren, dem lautstarken Handeln an den Fischständen zugeschaut und es genossen, ein Teil dieses typisch türkischen Trubels zu sein. Denn das ist es wirklich – hier finden sich keine englischsprachigen Schilder oder schicke Touristenbars, hier kauft die Oma auf dem Krückstock ihr tägliches Gemüse und der Opa (und Nico 😄) seine Einlegesohlen.
Immens froh darüber nicht mehr fahren zu müssen, fielen wir dann völlig erledigt, aber rundum glücklich in unser eigenes Bett und lauschten dem idyllischen Rattern der Straßenbahn 😄.
Tatsächlich erholt ging es dann am nächsten Tag weiter nach Alacati, der, möchte man einigen Stimmen glauben, wohl schönsten Stadt der Türkei. Dafür nahmen wir einen größeren Schlenker in der Route in Kauf und es hat sich gelohnt. Nicht annähernd so authentisch wie die Altstadt Izmirs, da man sich der touristischen Goldgrube hier voll bewusst ist, aber eben schön auf eine andere Art. Alacati ist ein sehr buntes und kreatives Örtchen, durch das man sich, zumindest außerhalb der Hochsaison, herrlich entspannt treiben lassen kann. An jedem Haus lässt sich irgendetwas Besonderes entdecken und selbst die vielen kleinen Boutique-Hotels und Restaurants fügen sich perfekt in das fotogene Ambiente ein. Ein schöner und wieder sehr bunter Tag, wie so oft hier in der Türkei. Genächtigt wurde auf dem örtlichen Wohnmobilstellplatz, der für ganze sechs Euro sogar WLAN, Wasser und Duschen anbietet – verrückt.
Nach ein paar Strandtagen ging es dann weiter nach Ephesos, eine antike Stadt mit langer und wechselvoller Geschichte und zu ihrer römischen Zeit das wichtigste Handelszentrum des Mittelmeers – Pflichtprogramm also. Und da waren sie plötzlich wieder: Touristen! In Heerscharen und mit Reisebussen! Das erste Mal seit Monaten hieß es wieder anstehen für Tickets und haufenweise Socken in Sandalen bestaunen. Hier hätten wir wirklich früher hingemusst – die Menschenmassen, das konstante deutsche Gebrabbel und am Boden liegende schreiende Kinder störten schon ein wenig das Ambiente 😁. Aber daran müssen wir uns jetzt wohl wieder gewöhnen, die Saison geht ja erst los und ja, ich weiß, andere haben auch Recht auf Urlaub 😉. Schön war es dennoch…
An den Tagen zwischen den Besichtungen wurden die Akkus dann immer mit der benötigen Menge Natur aufgeladen, ein sehr gut funktionierender Wechsel. Die Stellplatzsuche ist in der Türkei auch extrem leicht, schlicht weil es einfach niemanden stört, wenn man sich irgendwo hinstellt und übernachtet. Während wir in Griechenland nahezu keine einheimischen Camper gesehen haben, wird das wilde Camping in der Türkei ausgiebig praktiziert, vor allem von Einheimischen. Da baut sich schonmal ein Camper auf einem Restaurantparkplatz auf, samt Wasch-Insel und Lichterketten, und niemanden störts! Am Wochenende stehen Zelte an den Stränden, es wird gegrillt und Lagerfeuer gemacht, in Wohnmobilen oder auch Kleinwagen geschlafen und natürlich ein großes Picknick veranstaltet. Hier und dort ist in beliebten Gegenden mal ein Platz „legalisiert“ und man zahlt eine Gebühr für 24 Stunden – da diese sich aber in der Regel zwischen 3 und 5 Euro bewegt, kann man das dann auch mal tun. Sich bei den Preisen daneben zu stellen fänd ich auch blöd, da man durch die Nutzung relativ schmerzfrei die lokale Wirtschaft supporten kann. Genauso wie ein Bier in der Bar zu trinken, neben der man übernachtet. Da die Türkei für uns sehr erschwinglich ist, übertreiben wir es hier nicht mehr mit dem Geiz, den wir in vorigen Ländern zugunsten einer möglichst langen Reisezeit ja schon perfektioniert hatten.
Unser bisher schönster Übernachtungsplatz war auch ein solcher Bezahlparkplatz – was nichts weiter heißt, als dass am Eingang der Bucht ein Kassenhäuschen aufgebaut wurde. Danach ist man wieder für sich und kann sich hinstellen wo man mag. Hier waren wir sogar komplett alleine, ein Traum. „Leider“ stand am nächsten Tag ein Online-Bier-Abend mit Freunden an, so dass wir unsere Bucht gegen einen Campingplatz mit WLAN tauschen mussten. Sonst wären wir vermutlich immer noch dort 🤓.
Ich denke oft, dass wir die Türkei noch zur richtigen Zeit mit dem Camper bereisen – man spürt (und sieht in den sozialen Medien), dass die Vanlife-Welle langsam hierher überschwappt, nachdem mittlerweile jeder schon drei Mal in Griechenland war und alle portugiesischen Strände erfolgreich zugekackt wurden. Dort und auch anderswo schwindet, schier aufgrund der nicht mehr tragbaren Masse, die Akzeptanz und den Campern wird das Leben immer schwerer gemacht. Gut, die Türkei ist groß, aber ich fürchte auch ihre Küsten werden in ein paar Jahren ächzen angesichts dessen was diese Vanlife-Welle so mit sich bringt – so denn der Hype anhält. Ich hätte natürlich nichts dagegen mit dieser Prognose falsch zu liegen, denn auch wir möchten irgendwann wiederkommen und dann genauso herzlich aufgenommen werden wie zur Zeit. Aber ich fürchte wie so oft werden sich die Touristen ihre Privilegien selbst verspielen.
So wie jetzt schon in den türkischen Pauschal-Mekkas, von denen wir leider eines besucht haben – Marmaris. Solltet ihr einmal in Erwägung ziehen, in Marmaris Urlaub zu machen: BITTE TUT ES NICHT. Es sei denn…:
- … ihr wolltet eigentlich zum Ballermann, aber der war zu teuer.
- … ihr findet es lästig, euch zum Essen in einem schicken Restaurant ein T-Shirt oder Schuhe anzuziehen – es sind schließlich 23 Grad!
- … ihr werdet gern auf aufgeblasenen Plastikfiguren übers Meer gezogen.
- … ihr findet, dass Rot grundsätzlich eine schönere Hautfarbe ist als Braun.
- … ihr findest es durchaus praktisch, die Frau auf der Nachbarliege berühren zu können, ohne dafür aufstehen zu müssen.
- … ihr freut euch darüber, dass die Restaurants deutsches und englisches Essen anbieten, da ihr glaubt, dass die türkische Küche nichts für euch ist.
- … ihr seid musikalisch talentiert und nach einem Frühstücksbier gern dazu bereit, die tanzenden Kuscheltiere auf der Animationsbühne tatkrätig zu unterstützen.
- … ihr seid froh, dass es hier einen echten türkischen Bazar gibt, auf dem keine Einheimischen unterwegs sind – so kann man ganz in Ruhe die Preise der Gucci-Taschen oder Rolex-Uhren vergleichen.
- … ihr werdet gerne im Sekundentakt darauf hingewiesen, dass es an dem Ort, den ihr gerade passiert, etwas zu essen oder zu trinken gibt, weil ihr ein Restaurant nicht als ein solches erkennen könnt.
- … ihr seid der Meinung, dass jeder Hotpants tragen kann und sollte.
- … ihr seid froh darüber, dass ihr einen Urlaubsort gewählt habt, an dem man alles kaufen kann – so müsst ihr nicht ins „Hinterland“.
- … ihr freut euch darüber, dass jeder Kellner oder Verkäufer ehrlich daran interessiert ist, wie es euch geht und woher ihr kommt.
Letzteres ist ja ein Thema, das mich schon seit Jahren umtreibt. Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich kaufe grundsätzlich an Ständen, an denen ich mich in Ruhe umschauen kann und ich esse dort, wo ich einen Blick auf die aufgehängte Speisekarte werfen kann, ohne dass mir gezeigt wird, welcher Tisch gerade für mich eingedeckt wird. Ich kaufe mein Eis dort, wo der Eisverkäufer mich nicht als seinen besten Freund bezeichnet und ich gehe nicht in den Laden, dessen Sortiment mir davor bereits schreiend dargelegt wird. Ich frage mich ernsthaft, ob der Prozentteil der Leute, bei denen das vielleicht funktioniert, dieses Vorgehen lohnenswert macht oder ob die Umsätze nicht besser wären, wenn man die Kunden nicht bedrängen würde – verrückte Idee, ich weiß.
Gut, genug gemotzt 😄. Und da wir ja auch nicht unfehlbar sind, jetzt zum Abschluss noch die Geschichte, wie wir in Marmaris selbst ins Fettnäpfchen getreten sind. Aus besagten Gründen hatten wir all die Promenadenrestaurants hinter uns gelassen und uns für einen einfachen Imbiss hinter der Touristenmeile entschieden. Ich glaube schon wahrgenommen zu haben, dass sich dieser neben einer Moschee befindet, aber da diese hier zum alltäglichen Bild gehören, hatten meine Synapsen da ihre Arbeit leider schon wieder eingestellt. Wir waren die einzigen Gäste und hatten gerade unsere Bestellung aufgegeben, als sie aus allen Richtungen angeströmt kamen: Männer mit Gebetsteppichen unter den Armen. Diese wurden dann ringsum die Moschee und unseren Tisch platziert und pünktlich zum Beginn des Gebets kam unser (sehr gut duftendes) Essen. Das wäre normalerweise schon unangenehm genug, aber es ist Ramadan, verdammt. Während wir also hofften, dass sich der Boden unter uns auftut und versuchten möglichst leise und unauffällig zu essen, sang der Muezzin, gefolgt von minutenlanger Stille, bei der selbst unser Schlucken zu hören gewesen wäre. Das war vermutlich die unangenehmste halbe Stunde unseres Lebens – aber auch faszinierend in den Momenten, in denen es uns gelang, die Peinlichkeit auszublenden. Wann ist man schonmal so nah dran? Zum Ende hin kamen dann noch zwei Touristen mit freien Oberkörpern und bestellten Longdrinks – wir sind also vermutlich zumindest nicht die Ersten, die in der Hölle landen.
Aber geschmeckt hat es dennoch fantastisch 😇. Wie bisher alles in der Türkei – ob im Restaurant, im Straßenimbiss oder auch vom eigenen Grill, schon wegen der tollen Zutaten, die man hier bekommt. In diesem Sinne: Jetzt muss ich kochen, macht’s gut, bleibt gesund und bis zum nächsten Mal! 😊