Von missverständlichen Orakeln, schwimmenden Griechen und reifen Oliven

Es ist November, verrückt! Das hat uns am Sonntag doch tatsächlich etwas überrascht 😄 Einerseits weil wir hier nicht mehr nach dem Kalender leben (oft wissen wir nicht einmal welcher Wochentag ist – da steht man dann auch mal sonntags vor einem geschlossenen Supermarkt 🙈) und natürlich auch aufgrund des Klimas – Temperaturen zwischen 20 und 24 Grad und viele Sonnenstunden lassen so gar keine November-Gefühle aufkommen. Wir sind mittlerweile fast am südlichsten Zipfel des griechischen Festlandes angekommen und kommen somit noch in den Genuss eines schönen Spätherbstes. Obwohl sich der Begriff Herbst hier wirklich falsch anfühlt – war das nicht sowas Nasses, Graues, Dunkles? Okaayyy, dunkler wird’s hier auch, ich geb’s ja zu. Als wäre der Lauf der Zeit da nicht schon schlimm genug, wird das durch diese vermaledeite Zeitumstellung auch noch beschleunigt (richtig erkannt: Team Sommerzeit! 😊). Ich will keine Stunde geschenkt, ich will zum Sonnenplumps das erste Bier aufmachen! Und das wird nun immer schwieriger, wenn man nicht zum Alkoholiker mutieren will.

Aber ich schweife ab 😄 Also beginnen wir jetzt mit etwas Kultur wie im letzten Beitrag versprochen 😉 – es geht nach Delphi.

Nachdem wir letztlich ganze 10 Tage am wunderbaren Kite-Strand von Raches verbracht hatten, wurde es dann doch irgendwann Zeit für Abwechslung. Einem unendlich großen Wäscheberg und der Sehnsucht nach einer richtigen Dusche geschuldet, sollte der nächste Stopp außerdem ein Campingplatz sein. Mit dem wirklich charmanten Platz „Camping Delphi“ waren dann alle Fliegen erschlagen: mal wieder ein ganz anderer „Vorgarten“ (Blick aus den Bergen über endlose Olivenhaine bis hin zum Golf von Korinth), Waschmaschinen vorhanden und die Ausgrabungsstätten quasi um die Ecke.

Da wir unseren Obelix immer noch sehr ungern (und wenn dann etwas unentspannt) über längere Zeit unbeaufsichtigt lassen, sind Orte, die man ohne Auto vom Campingplatz aus erreichen kann, immer willkommen. In diesem Fall hätte uns sogar ein Shuttle-Bus vom Eingang des Platzes nach Delphi kutschiert, aber da auch ein alter Pilgerpfad zu den Ausgrabungsstätten führt, beschlossen wir zu wandern. 2 Kilometer klang ja machbar. Den Höhenunterschied hatten wir allerdings nicht auf dem Zettel, so dass sich die Muskeln noch drei Tage später an diese Tour erinnerten.

Der moderne Ort Delphi ist nicht sonderlich sehenswert. Ein paar Hotels, Apartments und Restaurants, das wars auch schon im Wesentlichen. Also direkt weiter zu den Ausgrabungsstätten – für 12 Euro pro Person konnte man neben diesen auch noch das archäologische Museum nebenan besuchen, welches wirklich beeindruckende Funde und Statuen beherbergt.

Da waren wir nun also, am Mittelpunkt der Welt aus antiker Sicht. Laut griechischer Mythologie ließ Zeus zwei Adler von je einem Ende der Welt aufsteigen, welche sich dann in Delphi trafen. Die Ruinen des antiken Delphi ziehen sich entlang eines Hangs mit 300 Metern Höhenunterschied und zählen seit 1987 zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Herzstück war der Tempel des Apollon, Sitz des berühmten Orakels von Delphi. Hängengeblieben ist mir die Geschichte von Krösus, der das Orakel vor seinem Kriegszug gegen die Perser befragte und – ermutigt durch die Prophezeiung er werde ein großes Reich zerstören – in die Schlacht zog. Leider war damit sein eigenes Reich gemeint 😁

Gut erhalten ist auch das Theater, in welchem 5000 Menschen Platz fanden, sowie das ganz oben am Hang gelegene Stadion. Im Stadion und im Theater fanden die pythischen Spiele statt – nach den olympischen Spielen die zweitwichtigsten panhellenischen Spiele der Antike. Weitere Heiligtümer und Schatzhäuser, die z.T. noch recht gut erhalten sind, komplettieren das antike Delphi.

Uns hat Delphi definitiv beeindruckt und wir können die Besichtigung sowohl der Ruinen als auch des Museums nur weiterempfehlen. Vermutlich stören in der Hochsaison Touristenströme die beeindruckenden An- und Aussichten, aber im Oktober war es sehr entspannt.

Von Delphi aus sollte es dann weiter Richtung Peloponnes gehen, unserem anvisierten Überwinterungsgebiet. Aus dem Bauch heraus (wie so oft) wurde der Besuch von Athen auf einen späteren Zeitpunkt vertagt und die Entscheidung getroffen, Peloponnes entgegen des Uhrzeigersinns abzufahren. Also ging es nun weiter gen Südwesten. Auf dem Weg noch einen mehrtägigen Stopp in einer kleinen Fischerbucht eingelegt – wieder einer der wunderbaren Orte, in denen Freistehen toleriert ist.

Im Anschluss stand nun die Überfahrt auf den Peloponnes an.

Klugscheißer-Exkurs: Die griechische Bezeichnung „Peloponnissos“ bedeutet „Insel des Pelops“ und das griechische Wort „nissos“ ist weiblich. Demnach wird gern darauf hingewiesen, dass es eigentlich „die Peloponnes“ heißt. Gebräuchlich und laut Brockhaus korrekt bzw. laut Duden ebenso gültig ist „der Peloponnes“. Da diese Variante in meinen Ohren deutlich besser klingt und ich den Brockhaus im Rücken habe, bitte ich von entsprechenden Hinweisen abzusehen 😎

Es ging nun also auf den Peloponnes 😊 Nicht von Osten kommend über die einzige Landverbindung via Korinth, sondern von Andirrio nach Rio. Eine beeindruckende Brücke verbindet diese beiden Orte, aber dank des Tipps anderer Reisender sparten wir uns die 20 Euro Mautgebühr und setzen mit der nur halb so teuren Fähre über. Macht ja auch viel mehr Spaß!

Ihr erinnert euch: wir hatten vorher mehrere Tage freigestanden, d.h. es war dringend Zeit für eine Dusche, der Frischwassertank war leer, die Abwassertanks voll, die Mülleimer quollen über und bei noch einmal gefühlten 30 Grad sehnten wir den Campingplatz wirklich herbei. Perfektes Timing für eine Autopanne dachte sich da irgendein Schicksalswitzbold 😆 In diesem Fall brachte uns ein gerissener Auspuff zur Strecke. Das war laut! Nach dem ersten Schock war die Ursache zwar schnell ausfindig gemacht, aber eben damit auch die Erkenntnis gereift, dass das nix ist womit man a) weiterfahren kann oder das man b) selbst repariert bekommt.

Also Zeit für die gelben Engel, die uns schon bei Obelix‘ Vorgängern viele Male gerettet haben. Es gab Zeiten, in denen haben wir uns wirklich gewundert, dass wir noch nicht hochkant rausgeflogen sind. Wenn man an der Hotline schon mit „Ok, wo sind Sie denn jetzt wieder gestrandet?“ begrüßt wird, sollte man sich vermutlich langsam Sorgen machen 😄

Aber für Obelix war es eine (gelungene) Premiere – mit gewohnt gutem ADAC-Service wurde er in die nächste Stadt geschleppt, wir mit dem Taxi hinterherkutschiert und die Werkstatt-Besatzung überredet, sich trotz Feierabend unseres Problems anzunehmen. Ein lokaler ADAC-Mitarbeiter hielt uns telefonisch über jede Entwicklung auf dem Laufenden, während ein Team von zeitweise vier Mitarbeitern inkl. Senior-Chef unter Obelix lag 😄 Wir hatten uns mittlerweile schon damit angefreundet, die Nacht auf dem Werkstatt-Parkplatz zu verbringen, aber taadaaaa – eine Stunde später und 120 Euro ärmer waren wir tatsächlich wieder on the road und die abendliche Dusche war gesichert 😊

Auf dem im Anschluss angesteuerten Campingplatz Aginara Beach blieben wir dann ganze zwei Wochen – unser längster Stopp bisher. Geplant war das nicht, aber ein paradiesischer Strand, ein nicht zu verachtender Langzeit-Rabatt und außergewöhnlich gutes WLAN ließen uns bleiben. Letzteres ist wirklich selten – nicht vorhanden bis mittelmäßig ist hier der Normalzustand. Für mich (Franzi) war das damit die Gelegenheit, ein paar Arbeitstage am Laptop zu absolvieren, während Nico – ja Ihr ahnt es schon – seine Angelkünste perfektionieren konnte 😁

Unser persönliches Platz-Highlight war jedoch die kleine bunte Beach-Bar: Spätestens um 18 Uhr wurde sie geschlossen und dann konnte man es sich dort mit eigenen Getränken gemütlich machen und den Sonnenplumps hinter Palmen beobachten. Ein Traum und wieder einer der vielen Vorteile der Nebensaison.

Da wir zugunsten einer möglichst langen Reisezeit nach wie vor jeden Cent drei Mal umdrehen, sind u.a. Tavernen-Besuche nicht drin. Ist ja kein Urlaub gell, wir sind hier ja nicht zum Spaß! 😁 Aber da wir die griechische Küche vergöttern, besorgen wir uns jetzt eben Rezepte der lokalen Klassiker und kochen selbst. Von den selbstgemachten Bifteki träume ich jetzt noch manchmal. Da der Heißhunger aber stets größer ist als der Wunsch das ganze photographisch zu dokumentieren, gibt es für viele Gerichte leider keine Belege 😄. Ausgenommen unser „Meze-Marathon“. Als Meze oder auch Mezze bezeichnet man im Nahen Osten und umliegenden Ländern verschiedene kleine Vorspeisen. Wir kennen sie schon aus dem türkischen Teil Zyperns und auch hier in Griechenland sind sie stark verbreitet. In unserer Variante gab es u.a. eingelegte Auberginen, geschmorte Zucchini, weiße Bohnen in Tomatensauce, selbstgemachtes Hummus und Zaziki. Obwohl wir parallel drinnen am Herd und draußen am Gasgrill gewerkelt haben, hat uns das Ganze drei Stunden gekostet. Aber das wars definitiv wert 😊    

Verrückt, dass es erst einen externen Hinweis brauchte, bis wir gemerkt haben, dass wir hier versehentlich vegetarisch gegessen haben 🤣 Passiert uns neuerdings tatsächlich öfter. Und auch gewollt. Einerseits ist Fleisch in Griechenland relativ teuer, andererseits wollten wir uns ja auch bewusster ernähren. Es ist auch nicht selten, dass wir auf unseren Spaziergängen Gemüse oder Obst am Wegesrand erbeuten oder von Einheimischen geschenkt bekommen. Das wird natürlich immer gern genommen und verarbeitet. Generell kochen wir jetzt mehr nach „Was haben wir noch da? Was hält nicht mehr lange?“ als nach „Worauf hab ich jetzt Lust?“. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir das letzte Mal Lebensmittel wegschmeißen mussten – etwas was daheim tatsächlich häufiger vorkam.

Im Anschluss an diese Campingplatz-Auszeit tingelten wir entlang wunderschöner Wildplätze weiter Richtung Süden. Mal komplett abgelegen, mal nah am Dorfleben, aber immer ohne Probleme. Die Freundlichkeit der Einheimischen überrascht uns da immer wieder. Nicht einen bösen Blick haben wir als Wildcamper bisher kassiert – im Gegenteil.

Ein großartiges Erlebnis auch immer wieder das griechische Rentner-Schwimmen: da kommen sie vormittags aus allen Richtungen und in verschiedensten Gefährten angerollt und verbringen dann gemeinsam ein bis zwei Stunden im Meer. Dabei wird der ganze Dorfklatsch schreiend ausgetauscht – schließlich schwimmt jeder in seinem eigenen Gebiet 🤣

Inzwischen sind wir in Finikounda angekommen – gelegen am südlichsten Zipfel des ersten Fingers der Peloponnes-Halbinsel. Finikounda ist ein kleiner Hafenort, dessen Fischereihafen auch tatsächlich noch in Betrieb ist, was gar nicht mehr so häufig der Fall ist. Abgesehen davon ist der Ort in festen Händen des Tourismus, was sich in einer hohen Dichte an Tavernen, Bars und Ferienapartments zeigt und jetzt in der Nebensaison leider in Ausgestorbenheit äußert. Der Ort selbst hat nämlich nur gut 600 Einwohner.

Hier leben wir derzeit auf einem wunderschönen Campingplatz, den wir uns verdienen, indem Nico bei der hiesigen Olivenernte hilft. Eine Knochenarbeit, die sich schon nach Tag 1 in heftigem Muskelkater und offenen Blasen geäußert hat. Bei der Ernte wird ein Teil der Zweige abgeschnitten, zu einer Rüttelmaschine geschleppt und in dieser durch ständiges Drehen und Wenden von den Oliven befreit. Die restlichen Oliven werden mit Stöcken und Schlaggeräten aus den Baumkronen geholt und in weit ausgebreiteten Netzen aufgefangen. Hier müssen die Oliven dann in einem weiteren Schritt von den ebenso heruntergefallenen Ästen, Zweigen und Blättern getrennt werden. Zuletzt werden sie dann in große Säcke gefüllt und zur Olivenpresse gebracht. Alles in allem extrem viel Arbeit. Allein auf dem Gebiet, auf dem Nico aktuell aushilft, stehen 7000 Olivenbäume! Und das ist eine kleinere Plantage.

Wenn man auf dem Peloponnes unterwegs ist, fährt man tatsächlich fast immer durch schier endlose Olivenöl-Plantagen, was den Eindruck erweckt, dass Griechenland für die Olivenöl-Versorgung der gesamten restlichen Welt zuständig ist. Dem ist wohl nicht so, aber im Jahr 2019 war es immerhin das fünftgrößte Exportland für Olivenöl. Dazu kommt der Eigenbedarf: Griechenland hat mit ca. 15 Litern jährlich den weltweit höchsten Olivenöl-Konsum pro Kopf! Zum Vergleich: die Deutschen schaffen nicht einmal einen Liter 😊

Jedenfalls haben Nico und ich derzeit also mal die Rollen getauscht: Da das hiesige WLAN für mich nicht zum Arbeiten reicht, kümmere ich mich „um Haus und Hof“, während der Mann die Versorgung sicherstellt. Ich finde er macht sich ziemlich gut als Wanderarbeiter – und ich kanns hier auch gut aushalten 😎

Wie es danach weitergeht steht derzeit noch in den Sternen – ursprünglich wollten wir ja den Peloponnes im Winter „umrunden“ (mit kleinen Abstechern ins sehenswerte Inland), inzwischen ist aber auch die Kreta-Karte im Spiel. Vielleicht geht’s doch mit der Fähre rüber, um für die kommenden Wintermonate noch ein paar Grad zusätzlich zu gewinnen… We’ll see. Stay tuned! 😊

2 Gedanken zu „Von missverständlichen Orakeln, schwimmenden Griechen und reifen Oliven“

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